Landwehr in Leipzig 2013

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Taktik


I.  Die dreigliedrige Linie


In der preußischen Infanterie hielt sich selbst im Zuge der großen Reformen nach der vernichtenden Niederlage von 1806 die dreigliedrige Linie. Sie blieb bis zum Ende der napoleonischen Kriege ein sichtbares Zeichen für den konservativen Geist in dieser Armee. Im Unterschied zu den Preußen war die britische Armee schon zum Ende des 18. Jahrhunderts zur zweigliedrigen Formation übergegangen. Die dünne rote Linie, die "thin red line", erwies sich unter Wellington als Erfolgsmodell gegen die Franzosen und wurde sprichwörtlich.

Auch in Preußen bemerkten einzelne Truppenführer, dass die dreigliedrige Linie überholt war. Anfang Oktober 1806, nur zwei Wochen vor der katastrophalen Niederlage in der Doppelschlacht von Jena und Auerstädt instruiert General von Rüchel sein gesamtes Korps, zur zweigliedrige Formationen überzugehen.

Auszug aus den Instruktion des Generals v. Rüchel d.d. Mühlhausen, den 1. Oktober 1806

"Das 3. Glied bei der Infanterie ist völlig unnütz. Sein Feuer geht nicht allein in die Luft, sondern es intimidiert annoch die Soldaten des 1. Gliedes. Die Erfahrungen von 3 Kompagnien [Kampagnen ???], welche die königl. Truppen wider die Franzosen mit Ruhm und Ehre gemacht haben, beweist, dass 2 preußische Glieder vollkommen hinreichend sind, diesen Feind zu schlagen. Bei der Ouvertüre der Kampagne aber, wo die Bataillone komplett sind, werden bei der jetzigen Formation in 5 Kompagnien in 2 Gliedern die 2 Bataillone zu gedehnt, die Stimme des Kommandeurs kann solche nicht überschreien und die Bewegungen werden schwerfällig. Deshalb also verordne ich hiermit, dass sogleich jedes Infanterie-Regiment sich auf 3 Bataillone setze.

Das 1. Bataillon zu 3 Kompagnien in 6 Pelotons, das 2. Bataillon zu 4 Kompagnien in 8 Pelotons, das 3. Bataillon zu 3 Kompagnien in 6 Pelotons. Sollten in Laufe des Krieges die Bataillone schwächer werden, so reserviere ich mir wieder, wie natürlich, die Formation eines Infanterie-Regiments aus 2 Bataillonen, weil die Ursache der anderen Formation wegfällt."

[ Von Borcke, Kriegerleben, S.369, Anhang 4. zitiert: Höpfner, Der Krieg von 1806 und 1807, Theil 1, Band 1, Beilage D. S. XXIf. ] 



Diese Änderung in der Formation verlängert die Front einer Einheit, wie die nachstehende Grafik deutlich macht, auf das ein-einhalbfache. Die Folgen waren General von Rüchel klar, durch die verbreiterte Front wurden die Formationen schwerer kommandierbar. Die Lösung des Problems war die Teilung des Regimentes in drei statt zwei Bataillone und die Verringerung der Kompanien pro Bataillon auf je drei bzw. vier.


Die Anweisungen General Rüchels aus dem Herbst 1806 zeigen, dass die dreigliedrige Formation zumindest von einigen preußischen Heerführern der Zeit bereits als überholt angesehen wurde. Trotzdem hielt die preußische Militärführung auch im Manual von 1812 daran fest [siehe hierzu: Peter Hofschröer, Prussian Napoleonic Tactics 1792-1815, S.44,ff.]. Für das dritte Glied formulierte man besondere Regeln, die eindrucksvoll zeigen, weshalb das Festhalten an der dreigliedrigen Formation den Preußen echte taktische Nachteile einbrachte:

  • Das dritte Glied feuerte in der Linienformation nicht mit, nur die ersten zwei Glieder nutzten also ihre Waffen.
  • Das dritte Glied diente bei Bedarf als separat einsetzbare Schützenabteilung, musste hierfür aber erst aus dem Battailon herausgelöst werden.
  • Da ab 1813 vermehrt in Kolonnen formiert wurde, ist noch weniger nachvollziehbar, welcher Funktion ein drittes Glied dient.

Alle in allem waren diese Voraussetzungen dazu geneigt, in der Praxis komplizierte Bewegungen auszulösen. Während z.B. in der britischen Linie sogenannte Flankenkompanien als Schützen unmittelbar vorgehen konnten, musste das dritte Glied der preußischen Linie erst 'herausgezogen' werden. In Kolonnenformation wurde die Bewegung noch komplizierter.

Johann von Borcke berichtet uns, welch taktisches Chaos sich in der Schlacht von Ligny am 16. Juni 1815 ergab, als er Befehl erhielt, die von ihm befehligte Schützendivision des 3. Bataillons der 1. Elb-Landwehr aus der vorgehenden Angriffskolonne des Bataillons herauszuziehen:


Wer die Schwierigkeit kennt, aus einer im Marsch begriffenen Angriffskolonne die Division des dritten Gliedes herauszuziehen und sie im Angesicht des Feindes und unter dessen Feuer zu formieren, wird mir zugeben, daß das eine nicht leicht zu lösende Aufgabe ist; schon auf dem Exerzirplatze wird diese Bewegung selbst von den bestgeübten Truppen nur selten mit Ordnung ausgeführt. So kamen denn auch hier, nachdem der Bataillonskommandeur, Major v. Jagow, das Kommando gegeben hatte, die Schützen ohne alle Ordnung aus der im Sturmschritt befindlichen Kolonne heraus, in welche hin und wieder Kugeln einschlugen. Alle Mühe, mit Hülfe der wenig erfahrenen Offiziere und Unteroffiziere, die fast ausnahmslos zum ersten Male im Feuer waren, Ordnung herzustellen, war vergebens.

[ Von Borcke, Kriegerleben, S. 308 ] 


Die nachstehende Grafik zeigt in vereinfachter Darstellung die bei dem Herausziehen entstehende Scherbewegung:

Die vier Kompanien sind mit ihren acht Zügen in Kolonne zur Mitte formiert. Die Züge sind in der Grafik von 1 bis 8 durchnummeriert. Die Flankenzüge No. 1 und 8 stehen ganz hinten in der Kolonne. Beim Herausziehen des 3. Gliedes müssen sich die Männer im 3. Glied eines jeden Zuges (orange markiert) nach rechts und links aus der Kolonne herausbewegen, während diese weiter im Vormarsch begriffen ist (farbige Pfeile).



Die sich 'im Sturmschritt' vorwärts bewegenden ersten zwei Glieder eines jeden Zuges und die sich seitlich herausziehenden Männer des jeweils dritten Gliedes müssen sich fast zwangsläufig ins Gehege kommen. Die ganze Kolonne kann hierdurch in Unordnung geraten.

Wären die Schützen wie im britischen System gesammelt in den Flanken formiert, könnte die Kolonne ungestört weiter vorgehen, während die Flankenzüge No. 1 und 8 (rot umrandet) sich ungehindert und vor allem geordnet in eine andere Richtung wenden könnten. Der taktische Nachteil des preußischen Systems sticht deutlich heraus.



II.  Kompanie, Bataillon und Regiment


Wie die gesamte preußischen Armee war die Landwehr in Regimenter gegliedert. Bei einer Sollstärke von 825 Mann in 4 Kompanien je Bataillon und einer Zahl von vier Bataillonen pro Regiment bestand das 1. Elb-Landwehr Regiment in voller Stärke aus 3.300 Mann. Selbst nach Abgabe des vierten Bataillons wäre das Regiment auf dem Papier immer noch 2.475 Mann stark. Der organisatorische Vorteil derart großer Regimenter liegt auf der Hand. Doch auf dem Gefechtsfeld blieb die grundlegende taktische Einheit das Bataillon.

In der britischen Armee bestand ein Regiment aus ein bis drei Bataillonen, die jedoch fast nie zusammen eingesetzt wurden. Taktische Basiseinheit war auch hier stets das Bataillon. Es konnte aus bis zu 10 Kompanien in einer Gesamtzahl von unter 500 bis über 1000 Mann bestehen.


© 2014 Thorsten Morgendahl